Corona-Arbeitsschutz: Verbindliche Testangebote in Betrieben

Das Bundeskabinett hat sich auf die Einführung von verbindlichen Testangeboten von Betrieben an ihre Beschäftigten verständigt.

Die neue Vorschrift wird als Ergänzung der Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) eingeführt, deren Bestimmungen außerdem bis zum 30.Juni 2021 verlängert werden sollen. Rechtskraft erlangt die Verordnung am 20.April 2021.

Ein erheblicher Teil freier Filmproduktionen macht ihren Mitarbeitern bereits seit geraumer Zeit Testangebote. Für diese ergeben sich aus Sicht des BvP keine erheblichen Veränderungen. Abzuwarten bleibt in dieser Hinsicht lediglich, in welcher Form die der Verordnung zugrunde gelegten Erkenntnisse für die BG ETEM eine Anpassung ihrer Handlungshilfe für die Filmproduktion bedeuten könnte. Testungen als Mittel des präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes wurden – nicht nur in der Filmproduktion – bisher bewusst nur in einzelnen Ausnahmefällen als Ersatz- oder Zusatzmaßnahme dem Instrumentarium des technischen, organisatorischen und persönlichen Arbeitsschutzes hinzugefügt, und zwar in Fällen, wo die Summe anderer möglichen Schutzmaßnahmen keinen hinreichenden Schutz versprach. In solchen Fällen sind Tests als Teil des Arbeitsschutzes jedoch notwendig und niemandem freigestellt.
Die neue Verordnung wird jedenfalls – wie alle sich ändernden Vorschriften – eine Revision der betrieblichen Schutzkonzepte, bzw. der damit verbundene Unternehmens-Kommunikation erfordern. Dazu weiter unten mehr.

Welche neuen Pflichten ergeben sich konkret aus der geplanten Corona-ArbSchV?

Grundsätzlich einmal pro Woche sollen Testangebote mindestens in Form von anerkannten Schnell- oder Selbsttests erfolgen, zweimal pro Woche hingegen für bestimmte besonders gefährdete Gruppen von Beschäftigten.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beziffert den von den Betrieben zu tragenden Erfüllungsaufwand für die Umsetzung der Verordnung   mit rund 3,00 EUR pro Kalenderwoche für die Bereitstellung von Gesichtsmasken, sowie 10,00 EUR pro Kalenderwoche für die Unterbreitung des Testangebots.
In Summe kommt das BMAS auf zu kalkulierende Kosten von 130,00 EUR für die Dauer der Verordnung von rund 10 Wochen pro Beschäftigtem, wobei bestehende Home-Office-Angebote sowie nötige Zweittestungen im Durchschnitt berücksichtigt wurden. Die Rechnung basiert auf angenommenen Kosten von ca. 60 Cent pro medizinischer Gesichtmaske sowie von ca. 5,00 EUR pro Test – also de facto die Anwendung von Selbsttests.

Diese Kosten sollen in Gänze die Betriebe tragen, so wie es im Rahmen der Arbeitsschutz-Gesetzgebung auch für andere Ausgaben in diesem Bereich vorgesehen ist. Dies ist einer der Gründe, warum die Arbeitgeber alles andere als begeistert auf die Ankündigung dieser Verordnung reagiert haben.
Ein weiterer Grund ist, dass die Verordnung beim verpflichtenden Testangebot explizit auf die Mitwirkungspflicht der Beschäftigten verzichtet. Anders, als dies die Arbeitschutz-Gesetzgebung im Grundsatz vorsieht.

UPDATE 23.APRIL ’21:
Das BMAS hat eine weitere Verschärfung der Corona-ArbSchV umgesetzt, welche am heutigen 23.April in Kraft tritt: Verpflichtend ist jetzt ein Testangebot von zwei Testungen pro Woche für alle Mitarbeiter, die außerhalb des HomeOffice tätig sind. (Quelle: bmas.de)

Auch vor dem Hintergrund der pandemischen Lage folgt diese Verordnung also der grundsätzlichen Betrachtungsweise, dass niemand verpflichtet ist, anlasslose medizinische Angebote von Arbeitgeberseite anzunehmen. Die Verordnung verpflichtet daher logischerweise auch die Arbeitgeber nicht dazu, die tatsächliche Annahme und Durchführung anlassloser Testangebote zu dokumentieren, sofern dies nicht durch die Datenschutz-Gesetzgebung ohnehin bereits ausgeschlossen wäre.

In Konsequenz muss bezweifelt werden, dass Testangebote nach Corona-ArbschV geeignet sind, auf Grundlage einer Risikobewertung entsprechend der DGUV-Vorschriften als zusätzliche oder gar kompensatorische Maßnahme zur Flankierung von betrieblichen Hygieneschutzkonzepten eingesetzt zu werden, welche stets auf eine tätigkeitsbezogene Sachgrundlage einer Maßnahme basieren, und welche stets die Dokumentation der Maßnahmen erfordern (und erst darum gemäß DSGVO auch erlauben). Testangebote nach Corona-ArbSchV folgen nicht der Systematik der Regeln der DGUV, auch wenn sie beim Punkt der Häufigkeit der jetzt vorgeschriebenen Testangebote diesen Anschein erwecken.

Die Bundesregierung muss sich an dieser Stelle zurecht die kritische Frage gefallen lassen, ob hier nicht der Arbeitsschutz nur vorgeschoben und dessen rechtliche Grundlagen als Cargo-Vehikel missbraucht werden, um über eine erzwungene “öffentlich-private Partnerschaft der besonderen Art” (keine Kosten für Staat und Bürger, kein Nutzen für die “Partnerbetriebe”) ihre nationale Teststrategie als Instrument der hoheitlichen Pandemiebekämpfung “kostenneutral” in größerer Breite anwenden zu können. Nun lässt sich im Falle der Filmproduktion eindeutig feststellen, dass jede frühzeitig erkannte Covid-19-Infektion am Set sicherlich sowohl dem Gesundheitsschutz als auch dem Betriebsergebnis von Nutzen ist, im Falle von Selbsttests jedoch auch ein eigenes unternehmerisches Risiko darstellt – siehe unten. Zum Beispiel der Arbeitgeberverband Gesamtmetall behält sich zuletzt ausdrücklich rechtliche Schritte gegen die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung vor.

Was bedeutet diese neue Verordnung konkret für den Bereich der Filmproduktion?

Es wird eine Herausforderung sein, die Tests nun wirklich in allen Bereichen und allen Betriebsstätten aktiv zugänglich zu machen, oder die Betriebsabläufe so anzupassen, dass die Tests für alle angestellten Mitarbeiter im vorgeschriebenen Maße zugänglich sind. Wenn bisher galt, dass ein grob gestricktes Netz von anlasslosen Testangeboten im Betrieb eine bessere Handhabe im akuten Krisenfall ermöglichte, als keines, so gilt ab jetzt, dass das Netz im Bedarfsfalle engmaschig und lückenlos zu organisieren ist.

Für alle Filmproduktionen, ob sie nun bereits Tests anboten oder nicht, wird diese Verordnung eine Kommunikations-Offensive erfordern. Bisher konnte die Filmwirtschaft zurecht darauf aufbauen, an die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen zu appellieren und mit sanftem Druck auf die Mitwirkungspflicht von Mitarbeitern bei Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz hinzuweisen. Und auf diesem Wege auch fast alle Mitarbeiter dazu bewegen, an anlasslosen Reihentestungen teilzunehmen.
Nun gilt es explizit, die Mitarbeiter über ihr Recht auf Testungen aufzuklären. Das verkompliziert die Kommunikation in dem Moment, wo im Betrieb auch verpflichtende – also angeordnete – Testungs-Konzepte zur Anwendung kommen, wenn Testungen also nicht für alle tatsächlich freiwillig sind.
Und dies ist zumindest im fiktionalen Film durchgehend der Fall.
Neben der Frage, was denn nun eine “cast-nahe Tätigkeit” ist oder nicht, und welche Bereiche als besonders schützenswerte “Zonen” zu behandeln seien, wird nun auch die Frage neu befeuert, für wen Testungen nun vorgeschrieben sind und für wen nicht, ob eine Produktion in bestimmten Fällen Testungen anordnen darf oder nicht, und warum manche Produktionen ihre Tests immer noch lieber in Form von Nasen-Rachen-Abstrichen durchführen, obwohl es nun doch angenehmere Möglichkeiten gibt.

Außerdem warnen wir explizit davor, nun unbedacht auf die Dokumentation von vorbestehenden (und ggf nun angepassten) Testungs-Konzepten zu verzichten, in der Annahme dass die neue Verordnung einem dies nun freistellt. Wenn das eigene betriebliche Testungs-Konzept als ergänzende Maßnahme im betrieblichen Schutzkonzept aufgeführt ist (z.B. zur Kompensation der oft  schwer kontrollierbaren Mindestabstände an Filmsets), dann ist die Umsetzung entsprechend zu dokumentieren, um nicht später Probleme bei der Beweisführung zu bekommen.

Wie oben bereits angedeutet, empfiehlt es sich aus unserer Sicht keinesfalls, dass Filmproduktionen ihre Reihen-Testungs-Strategien nun aus Kostengründen auf die günstigeren Selbsttests umstellen – und erst recht nicht Testungen gemäß des Schutzstufen-Konzepts der BG ETEM für Tätigkeiten “Vor der Kamera”, solange die BG ETEM dies nicht explizit einräumt.
Warum dies?
Die niedrige Sensitivität und das Risiko von falsch positiven Testergebnissen – so legen es erste Studien nahe – sind bei Selbsttests ein größeres Problem, als bei den klassischen Nasen-Rachen-AG-Tests oder bei PCR-Tests. Die in Rede stehenden “Anterio-Nasal-Selbsttests” zeigten bei Massentests von aymptomatischen Probanden lediglich eine Sensitivität von 41%. Die Datenlage zu tatsächlichen falsch positiven Testergebnissen ist leider nach wie vor unzureichend. Forscher gehen bei der Berechnung der Sensitivität von Corona-Selbsttests jedoch lediglich von 70-80% positiven Testergebenissen aus, welche durch einen PCR-Test letztlich bestätigt werden können, also von bis zu 30% falsch positiven Testergebnissen bei Selbsttests. Ähnlich leidvolle Erfahrungen mit den ebenso einfachen wie günstigen Gurgeltests hatte unsere Branche schon im vergangenen Jahr sammeln dürfen.
Die betrieblichen Auswirkungen falsch positiver Testergebnisse waren bisher der Hauptgrund für so manche Arbeitgeber, keine anlasslosen Reihen-Testungen unter den Mitarbeitern durchzuführen.
Sofern also eine Produktion ihre Mitarbeiter nicht bereits regelmäßig testen liess, so empfiehlt es sich jetzt leider, die zu erwartenden Mehrkosten anders zu kalkulieren, als auf Grundlage des Preises von Selbsttests. Die Befürchtung liegt nahe, dass es da mit 130,00 EUR Mehrkosten bis Ende Juni pro Mitarbeiter nicht getan ist. Auch für die Übernahme corona-bedingter Mehrkosten durch Auftraggeber, beziehungsweise für die in der Praxis bereits bisher aufwendigen Diskussionen rund um die Begründung für die Höhe bestimmter Ausgaben, bedeutet die neue Verordnung aus Sicht der Produzenten also keine gute Nachricht.

Quellen:
Die gültige Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) im Internet.

Die 2.Änderungs-Verordnung zur Corona-ArbSchV im Internet.

FAQ des BMAS zum “Angebot von Tests” im Internet.